Brillantes Konzert in St. Nikolaus in Großaitingen
LechWertach-Orchester und Solisten brillieren in St. Nikolaus
Die Idee, zusammen mit Pfarrer Hubert Ratzinger das „Concertino op.26“ für Klarinette und Orchester des jungen Carl-Maria von Weber (1786-1826) als Hauptwerk in ein Kirchenkonzert mit aufzunehmen, ist schon eine musikalische Volte!
St. Nikolaus, dieser verspielte, durch außergewöhnliche Kunsthandwerker höchst bemerkenswert ausgestattete und weit über die Region hinaus berühmte Prachtbau des Rokokos verträgt die Lebendigkeit eines mit romantisch ausdrucksvollen Passagen gespickten Instrumentalhauptwerks (1811) des Erfinders der Deutschen Oper („Der Freischütz“), die, mal lebendig überschwänglich, mal tiefsinnig schluchzend, die damals in dieser Form gerade entwickelte A- Klarinette auslotet.
Hubert Ratzinger weiß das weite Tonspektrum und die höchst virtuosen Passagen dieses anspruchsvollsten Meisterwerks virtuos, mit blendender Geläufigkeit und dem nötigen romantischen Pathos bis in den letzten Winkel des Soloparts auszukosten.
Aus Händels „Messias“ erklang, prachtvoll interpretiert, das theatralisch instrumentierte „Warum toben die Heiden?“, so plastisch, dass es den Zuhörer fröstelte. Versöhnlich dagegen der „Einzug der Königin von Saba“, in dem Flöten und Streicher ihr virtuoses Können zeigten. Wolfgang Wirsching, internationaler Bassbariton fesselte mit Ausdruck und Spannung.
Wolfgang Amadeus Mozart komponierte im Alter von 9 Jahren die Arie „Conservati fedele“ – ein Werk, das ausschließlich von renommierten Mezzosopranistinnen gesungen werden kann. Die in Deutschland an diversen Häusern engagierte Simone Werner erinnert in ihrer hingebungsvollen, koloraturreichen Interpretation – Mozart sprach in ähnlichen Fällen selbst von einer „geläufigen Gurgel…“ – an Teresa Berganza, die Primadonna des letzten Jahrhunderts. Höchst eindrucksvoll!
Das anschließend zugegebene „Ave verum“ kann inniger nicht interpretiert werden. Ein Kammerensemble um Wolfgang Scherer begleitete congenial das Spätwerk Amadés von 1791. Fulminant die Kirchensonate KV.278 mit Trompeten und Pauken! Das Orchester brilliert hier ebenso, wie bei Georg Phillip Telemanns Sonaten, bravourös intoniert vom bereits vielfach ausgezeichneten Jungtrompeter David Schöpf aus Langerringen.
Dazwischen fröhlich-klangvolle Orgelwerke von Lemmens und Johann Sebastian Bach an der unerhört treffend zum Raum disponierten Orgel des akustisch glänzenden Großaitinger Kirchenraums. Markus Göppel und Cristiane Nerb, Meister ihres Faches, bringen das neu restaurierte Instrument zur höchstmöglichen Geltung.
Wenn dann noch Luisa Schilling (1.Bundespreisträgerin bei „Jugend musiziert“ 2018) mit ihrer klassischen Gitarre zaubert, ist die Harmonie der 1 ¼ stündigen, in den Raum passenden musikalischen Darbietungen, perfekt.
Felix Linsmeier, Arrangeur des Orchesters, Composer in Residence (Würzburg) und Kompositions-Preisträger der Berliner Philharmoniker ist immer für musikalische Überraschungen gut. So auch wieder in Großaitingen.
Im Raum und auf der Empore verteilte Bläser im Stile einer von Andrea Gabrieli in St. Marco, Venedig im 16. Jahrhundert erfundenen Mehrstimmigkeit, erzeugen ungeheure Klangfantasien im Stile modernen Surroundklangs bevor sie in den Hymnus barocker Bläsermusik münden, das „Nun danket alle Gott“ in sich beschließend.
Bravorufe in Kirchen sind selten, Standing Ovations ebenso – hier waren sie höchst angebracht und ausgiebig. Bürgermeister Erwin Goßner überreichte Präsente. Solisten und Orchester stehen auf einem musikalischen Niveau, das Ihnen Tage zuvor in der vollen Wieskirche und andernorts Ovationen entgegenbrachte, die Jugendorchester in dieser enthusiastischen Form selten erleben dürften. Ausgebucht bis 2021 sind die weitgereisten „Jungen Talente“ eine verschworene Gemeinschaft, die technisch und musikalisch grenzenlos belastbar zu sein scheint und in jedem Genre zu Hause ist. Eine begeisternde Truppe aus dem Begegnungsland Lech-Wertach!
Das außergewöhnliche Verdienst des hochausgezeichneten Vollblutmusikers und Orchesterleiters Wolfgang Scherer besteht tatsächlich in seiner Beständigkeit, seit Jahrzehnten hoch qualitative Konzerte mit jungen Musikern zu erarbeiten und auf Spitzenniveau zu präsentieren. „Conservati fedele“. Dafür erhielt er u.a. auch die „Silberdistel“ unseres Zeitungsverlags. Hut ab!
Man darf auch schon auf die „25. Konzerte junger Talente“ am 23. Und 24. November in Schwabmünchen gespannt sein.
Text und Bild: Johannes Rinck